Regionales Gesteinsvorkommen
Geologischer Hintergrund
Erdgeschichtlich betrachtet bildet das gesamte Münsterland eine Senke, die bis zu einer Tiefe von 5500 Metern aus Ablagerungen der Kreide und des Karbon besteht (vgl. auch Münsterland geologisch). Die nebenstehende Abbildung zeigt Versteinerungen in Bohrkernen aus dem Bohrungsprojekt Münsterland 1. Anhand der Bohrkerne erkennt man, dass selbst noch in 5763 Metern Tiefe das Gestein aus Ablagerungen von Kalkfossilien des Devon-Kalksteins besteht. Gut zu erkennen sind Muscheln und Stromatoporite (Foto, Quelle: GD NRW). Aus diesem Grund findet man im Münsterland verbreitet Fossilien in einem mehr oder weniger gut erhaltenen Zustand. Dagegen treten im Münsterland Tiefengesteine oder solche mit vulkanischem Ursprung einfach nicht zutage. Vereinzelt gefundene Feldlesesteine, vorwiegend Granite, haben demzufolge ihren Ursprung nicht im Münsterland sondern sind mit eiszeitlichen Gletschern aus Schweden und Dänemark hierher transportiert und abgelagert worden. Somit sind die hier in oberflächennahen Schichten anzutreffenden Gesteine im allgemeinen Sedimentgesteine vom Typ Kalk-, Kalksand- oder Sandstein.
Bekannte Abbaustellen des Altenberger Kalksteins
Wenngleich es in Altenberge keine offenen Steinbrüche mehr gibt, findet man dennoch Hinweise auf den ehemaligen Kalkstein-Abbau. Leider sind im Ort alle vorhandenen Abbaustellen schon lange verfüllt oder durch Bebauung nicht mehr zugänglich. Bekannt und belegt sind uns folgende Abbaustellen (weitere Hinweise nehmen wir gerne mit auf):
- Bereich der Krüsellinde, Quelle: Eugen Zurholt, Zeitzeuge aus Altenberge
- Hof Hinse, Quelle: Heinz Hinse (Sohn), Zeitzeuge aus Altenberge
- Mühlenberg, Quelle: [1993Lobbedey], Band 1, Der Bau, S. 43 und S. 326
- Vorbergshügel, Quelle: [1993Lobbedey], Band 1, Der Bau, S. 43 und S. 326
Aber außerhalb des Ortskerns zeugen noch überwachsene Mulden in Wald und Gelände vom ehemaligen Abbau der Kalksteine in früheren Jahrhunderten. Den ältesten Literaturverweis auf Steinbrüche rund um Altenberge findet man in der 4-bändigen Dokumentation des LWL über den Bau des Münsteraner Paulus-Doms, vgl. Literatur in [1993Lobbedey]. So ist bereits schon im 12. Jahrhundert Altenberger Stein zum Bau des Westwerks des Paulus-Doms verwendet worden (Türme und Westportal), vgl. [1993Lobbedey], Band 1, Der Bau, S. 43 und S. 382. Dabei wurden das Westportal und die Türme aus Altenberger Bruchsteinen gemauert und die Verblendung aus Altenberger Kleinquadermauerwerk erstellt. Auch in der katholischen Kirche St. Johannes Baptist in Altenberge, erbaut im 14. Jahrhundert, wurde der örtliche Kalkstein verwendet.
Schließlich stößt man auch heute noch in Altenberger-Neubaugebieten auf Kalksteinbänke, die beim Verlegen der Kanalisation angebaggert werden (Baugebiet Krüselweg). Oft besitzen diese Steine eine ähnliche Qualität wie die aus den Steinbrüchen früherer Abbaugebiete.
Recherchiert man in der jüngeren Geschichte Altenberges, so erfährt man von den Abbaugruben auf dem Gelände von Bauer Josef Hinse, die nach dem 2. Weltkrieg zur Restaurierung des Münsteraner Paulus-Doms abgebaut wurden (Foto: Beschädigtes Westportal, Quelle: © Bildarchiv LWL-Medienzentrum für Westfalen). Direkt nach Kriegsende gab es große Probleme bei der Materialbeschaffung, um die zerstörten Mauern des Doms mit geeigneten Werksteinen zu restaurieren. Zudem wollten der Dompropst und die Steinmetze trotz aller Schwierigkeiten der Materialbeschaffung die Restaurierung mit dem gleichen Werkstein ausführen, in dem der Dom ursprünglich erbaut wurde. Um diesen Spuren nachzugehen, verabredete sich am 09.04.2015 der Altenberger Heimatverein und das Museum Zurholt mit dem Sohn, Heinz Hinse für eine Ortsbegehung des ehemaligen Steinbruchgeländes. Für die Wahl der Eröffnung von Kalksteinbrüchen auf dem elterlichen Hof war es ausschlaggebend, dass beim Bau des Münsteraner Doms bereits Altenberger Kalkstein verwendet wurde, vgl. [1993Lobbedey], Band 1, Der Bau, S. 43. Die Steinbrüche in der Umgebung von Havixbeck oder Billerbeck verfügen zwar über reichere Kalksteinvorkommen. Aber für die Restaurierung der Türme und des Westportals kamen diese nicht in Frage. Schließlich sollte die Restaurierung des Doms nach Möglichkeit mit einem Material erfolgen, das eine vergleichbare Farbe und Härte besitzt (Abb. rechts, Foto Steinbrucharbeiten im 19. Jahrhundert, wahrscheinlich Steinbruch Fa. Fark, Quelle: Museumsarchiv). Aber auch für die Restaurierung anderer Kirchen des Münsterlandes wurde nach dem 2. Weltkrieg der Altenberger Kalkstein abgebaut. So wurden vom elterlichen Hof auch Steine geliefert an die Ludgerikirche in Münster und an Kirchen in Albersloh, Freckenhorst, Wolbek, Ennigerloh und Altenberge (Restaurierung im Jahr 1958/59), so Herr Hinse bei der Ortsbegehung. Aber auch für Profanbauten wurden Steine gebrochen und vor Ort durch externe Steinmetze zu Quadersteinen (Steine mit festen Abmaßen und bester Qualität) oder zu Schollensteinen (dünner als Quadersteine) verarbeitet. Darüber hinaus lieferte der Hof auch Kalksteine nach Münster, wo die Blöcke in Steinsägewerken zersägt und zu Fensterbänken oder zu Tür- und Fenstergesimsen verarbeitet wurden. Aus Erzählungen von Nachbarn weiss Herr Hinse, dass die Geschichte der Steinbrüche auf dem Hof zurückreicht bis in das vorletzte Jahrhundert (1850/60).
Qualität des Altenberger Steins
Der Grund für das Interesse am Kalkstein aus Altenberge ist seine besondere Witterungsbeständigkeit. Während der weiche Kalkstein aus Billerbeck oder Havixbeck die Bildhauer durch seine schöne gelbe Farbe und seine gute Bearbeitbarkeit begeistert, ist dies zugleich ein Nachteil bei der Verwendung als Werkstein im Außeneinsatz. Hier ist der Altenberger Kalkstein aufgrund seines hohen Gades an rekristallisiertem Muschelkalk sowie seiner höheren Kompaktheit deutlich widerstandsfähiger. Zudem ist das Porenvolumen des Altenberger Steins geringer als das der Kalksteine aus Billerbeck oder Havixbeck, was die Tendenz verringert, Feuchtigkeit aufzunehmen. Letztenendes ist es die Kombination dieser Eigenschaften, welche die gute Witterungsbeständigkeit des Altenberger Steins ausmacht.
Abbau des Altenberger Kalksteins zur Dom-Restaurierung der Türme und des Westportals
So wie die Arbeit in Steinbrüchen generell, so war die Arbeit beim Kalksteinabbau immer ein mühsames Geschäft. Noch bis in die 50-ger Jahre des letzten Jahrhunderts war die Arbeit im Steinbruch weitgehend Handarbeit, bei der Herr Hinse als Junge im väterlichen Betrieb mithalf. Aber schon für die Steine, die ab 1955 für den Dom gebrochen wurden, kam ein Bagger für die Erdarbeiten und das Heben der tonnenschweren Blöcke zum Einsatz.
Wurden in früheren Jahrhunderten Kalksteine an zutage tretenden Hangabbrüchen oder in guter Lage kurz unter der Oberfläche abgebaut, so begann nach Herrn Hinse der Abbau auf dem Hof aufgrund der Schräglage der Steinbank bei einer Tiefe von 1,5 Metern. Ursprünglich reichte die ca. 80 cm dicke und mit einer Schräglage von ca. 10 Grad abbaubare Kalksteinbank im Hofbereich bis an die Erdoberfläche. Mit fortschreitendem Abbau musste man im Steinbruch die immer dicker werdende Erdschichten abtragen, um der abtauchenden Kalksteinbank zu folgen. Zum Schluss betrug die Lehm- und Mergel-Deckschicht über der Kalksteinbank ca. 8 Meter.
Der Abbau der Kalksteine war nicht einfach, so Herr Hinse, denn die in geringer Tiefe angetroffene Kalksteinbank bestand noch nicht aus einem zusammengewachsenen Schichtpaket, sondern aus einzelnen Platten von geringerer Qualität. Erst in rund 3 Metern Tiefe bestand die Kalksteinbank aus einem zusammenhängendem Schichtpaket aus hochwertigem grauen Kalkstein, der schon allein optisch ein Maß für die Qualität darstellt. Die Kalksteinschichten, auf die wir bei uns im Rahmen der Domrestaurierung auf dem Hof stießen, waren von ausgezeichneter Qualität und oft so eben wie eine Betonplatte. Die Blöcke für den Dom wurden hier im Steinbruch am Hof gebrochen und unbehauen auf LKWs zum Abtransport verladen. Behauen wurden die Steine erst von den Steinmetzen der Dombauhütte vor Ort am Dom, weiß Herr Hinse zu berichten (Foto: Dr. H.-G. Hettwer).
Nach Abschluss der Restaurierung der Kriegsschäden in Münster ließ die Nachfrage nach Kalkstein deutlich nach. Von den Steinbrüchen auf dem Hof ist schließlich nur noch einer direkt am Hof übrig geblieben und wird jetzt als Löschteich genutzt. Alle anderen Steinbrüche um den Hof herum sind rasch mit ständig anfallenden Abraum der laufenden Steinbrüche verfüllt worden und mitlerweile überwachsen, so Herr Herr Hinse. Die Fischteiche auf dem Gelände sind erst nachträglich angelegt worden.
Bis in die 1980er Jahre wurden Steine auf dem Hof abgebaut. In Vorbereitung des 1200-jährigen Domjubiläums 1993 wurden wieder Restaurierungsmaßnahmen geplant. In diesem Zusammenhang gab es noch einmal eine Anfrage nach Kalksteinen vom Hinse-Hof. Zwar stieß man bei Probebohrungen auf die Kalksteinbank. Doch aufgrund der geringen Wirtschaftlichkeit entschied man sich dagegen, den Abbau wieder aufzunehmen.