Erdbeben durch Fracking
Fracking und Erdbeben, wie kann das sein?
In der schon oben zitierten ZDF-Dokumentation "ZOOM" erläutert Prof. Thorsten Dahm, Universität Hamburg, dass durch Fracking in der Nähe der Gas-Förderanlagen Risse an Häusern entstehen können. In eigenen geologischen Untersuchungen hat er nachgewiesen, dass es in Fracking-Regionen Häufungen von regionalen Erdbeben gibt. Betroffene Anwohner berichten im Film sogar davon, dass ihre Häuser nach der Bohrloch-Erschließung meterlange Risse aufwiesen. So etwas kennt man sonst nur aus dem Ruhrgebiet als Setzungsrisse infolge von Bergsenkungen, wenn sich das Deckgebirge in ehemaligen Kohleabbaugebieten absenkt. Ebenso berichten Anwohner, dass das Erdreich tagelang und unerklärlicherweise Weise vibrierte und Haushaltsgegenstände zum Schwingen angeregt wurden. In einigen Gebäuden wurden sogar Risse im Mauerwerk festgestellt. In der ZDF-Dokumentation bestreiten die im Interview angesprochenen Betreiber jeden Zusammenhang mit Fracking.
Induzierten Erdbeben als weiträumigen Effekt des Frackings kommt man auf die Spur, wenn man sich die aktuellen Fracking-Techniken anschaut. Auf den WEB-Seiten eines der größten Ausrüster von Öl- und Gas-Bohrtechnik, Schlumberger Limited, fanden wir in einem Produkt-Video eine mögliche Erklärung dieser "unerklärlichen" Erdbeben.
Abb.: Online-Video der Fa. Schlumberger zum Technik high-frequency pulse fracking, Quelle: Schlumberger Produkt-Video, Stand: 1.6.2014.
Das Video zeigt das neue "high-frequency pulse fracking"-Verfahren, mit dem die Fracking-Flüssigkeit in die Gesteinsrisse eingepresst wird. Die Pumpen für die Fracking-Flüssigkeit erzeugen dabei nach E. d'Huteau (2011) keinen festen statischen Druck, sondern werden so betrieben, dass eine periodisch ansteigende Konzentration an Sand und Beimischungen in das Bohrloch gepresst wird, siehe Abb. unten.
Abb.: Druck-Zeit-Diagramm im high-frequency pulse fracking Verfahren, Quelle: E. d'Huteau: Open-Channel Fracturing - A fast Track to Production, Oil Field Review, Atumn 2011:23, no.3 , Stand: 1.2.2014.
Der dazu notwendige Druckaufbau im Bohrloch wird begleitet von mechanischen Druckschwingungen im Pumpensystem, die sich über das Erdreich weiträumig ausbreiten. Diesen Effekt kann man auch im Alltag beobachten, wenn im Straßenbau mit so genannten Rüttlern die Erde verdichtet wird und die nähere Umgebung mit in Schwingung versetzt wird. Beim "high-frequency pulse fracking"-Verfahren werden nicht wie im Straßenbau nur wenige Quadratmeter in Schwingung versetzt, sondern das gesamte vom Fracking erfasste Volumen entlag einer mehrere hundert Meter langen Strecke. Die beobachteten Phänomene der Anwohner in der ZDF-Dokumentation "ZOOM" belegen damit die Wirksamkeit der Methode und zugleich auch das mögliche Risiko des Frackings, Risse und Spalten zu erzeugen oder zu mobiliseren, die dann seismische Auswirkungen haben.
Erdbeben als Ursache des Verpressens von Abwässern?
Immer wieder gab es einzelne Berichte zu Erdbeben, die im Zusammenhang von Fracking genannt wurden. Die in der Öl-Industrie tätigen Unternehmen haben immer jeden Zusammenhang bestritten. In der populärwissenschaftlichen Dokumentation "Geheimnisvoller Planet: Erdbeben" vom 21.09.2015 auf N24 wurden neuste Untersuchungen der US Geologenvereinigung (United States Geological Survey, USGS) vorgestellt. Diese haben die schwere Erdbeben in den zentralen Bundesstaaten der USA untersucht und dabei mehrere Auffälligkeiten festgestellt (siehe auch Grafik unten):
- Werden in den letzten Jahren Erdbeben in Regionen beobachtet, in denen bisher nie Beben aufgetreten sind
- Treten in Regionen mit Erdbeben in bisher geringer Stärke nun Beben mit deutlich höherer Bebenstärke auf
- Das Zentrum dieser Erdbeben liegt in geringer Tiefe und legt eine menschchliche Verursachung nahe
Abb.: Anzahl der Erdbeben pro Tag im US-Bundesstaat Oklahoma im Zeitraum 2008 - 2019. Quelle: Oklahoma Geological Survey (OGS), Stand 08.12.2023 (Oklahoma Geological Survey), Bild öffnen
Anlass der Studie ist das Auftreten von schwereren Erdbeben (größer als 3) in einem Bundesstaat, der bisher geologisch völlig unauffällig war. Doch in den letzten Jahren traten ohne erklärbaren Grund Erdbeben mit schweren Gebäudeschäden auf. Das schwerste mit der Stärke 5,6 ereignete sich im Frühjahr 2011 in der Stadt Prague. Der USGS-Studie nach wurden früher in Oklahoma etwa 3 Erdbeben der Stärke 3 pro Jahr gemessen (Abb. oben). Jetzt sind es nach Angaben des Geologen Mark Peterson 1 bis 2 Erdbeben pro Tag, der die Situation so beschreibt: In Oklahoma gibt es nun mittlerweile mehr Erdbeben der Stärke 3 als in Kalifornien, ohne dass eine vergleichbare geologisch aktive Zone wie die der St. Andreas Spalte bekannt ist.
Die Frage danach, woher diese plötzliche Erdbebentätigkeit kommt, beantworten die Wissenschaftsjournalisten im oben genannten Beitrag auf N24 so: Wird Wasser, tief in den Untergrund gepresst, ändert das die geologischen Festigkeitseigenschaften und das Spannungsgefüge im Gestein. Außerdem wirkt Wasser als Schmierstoff zwischen geologischen Verwerfungen. Wenn nun im Bereich der Abwasser-Verpressung tektonische Spannungen kritische Werte aufweisen, kann das Verpressen die kritische Spannung überschreiten und es kommt zum Abgleiten von Schichten - ein Erdbeben.
Die Kartenillustrationen unten zeigen den engen Zusammenhang dieses Sachverhalts: Werden große Mengen an Fracking Abwässer in die Erde gepresst, so wird der geologische Untergrund instabil. Die Online-Daten der Energie und Umweltabteilung des Staates Oklahoma zeigen dies. - Werden die Verpressstellen für die Fracking Abwässer in die Karte eingeblendet, so überwältigt einen die Zahl an Punkten, an denen das passiert. An diesen Punkten werden die mit Salz und radioaktiven Stoffen belasteten Abwässer mit hohem Druck in die Tiefe verpresst. Ein Verfahren, das auch in Deutschland angewendet wird. Pro Bohrung sind das Millionen von Litern.
Abb.: Die Karte des US Bundesstaates Oklahoma mit Verpressstellen von Fracking Abwässern (Violett), Quelle: Google/Oklahoma Ministerium für Energie und Umwelt, Stand 24.09.2015 (Erdbebenkarte Online öffnen)
Blendet man in die Karte zusätzlich alle Erdbeben seit 1980 mit einer Stärke 3 oder höher ein, so wird der Zusammenhang sichtbar: Dort wo die Anzahl an Verpressstellen hoch ist, dort steigt auch die Wahrscheinlichkeit schwererer Erdbeben.
Abb.: Die Karte des US Bundesstaates Oklahoma mit Verpressstellen von Fracking Abwässern (Violett) und Erdbeben der Stärke 3 oder höher seit 1980 (Orange, Rot), Quelle: Google/Oklahoma Ministerium für Energie und Umwelt, Stand 24.09.2015 (Erdbebenkarte Online öffnen)